Evolutorische Spiele
Die evolutorische Spieltheorie, oder auch evolutionäre Spieltheorie, verfolgt einen anderen Ansatz als die herkömmliche Spieltheorie: Wo man sonst von rationalen Spielern ausgeht, die bewusst eine Strategie wählen, basierend auf vollkommener und vollständiger Information, postuliert die evolutorische Spieltheorie, Spieler, die ihre Strategie nicht im Bewußtsein einer strategischen Entscheidungssituation wählen, sondern vielmehr die Repräsentanten einer Strategie (also aus biologischer Sicht eine "Spezies") darstellen.
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Grundlegendes Modell
Das grundlegende Modell evolutorischer Spiele lässt sich an wenigen entscheidenden Eigenschaften festmachen:
- Jeder Spieler (Akteur) ist Mitglied in einer großen Gesamtheit, die Population genannt wird, und die in der Regel eine feste Größe hat.
- Die Spieler entscheiden nicht strategisch, gehen also auch nicht von rationalen Mitspielern aus, die sich selber optimierend verhalten.
- Die Spieler treffen im Spiel immer paarweise aufeinander, wobei die Wahrscheinlichkeit eines Spielers auf einen speziellen Strategietypen zu stoßen, dem jeweiligen Anteil dieses Typs an der Population entspricht.
- Das Basisspiel ist ein endliches symmetrisches 2-Personenspiel in Normalform, das beliebig oft wiederholt werden kann.
- Dynamik: Die Anteile der Spielertypen sind variabel, können sich also durch unterschiedliche Auszahlung, bzw. Fitness ändern. Dies geschieht mit Hilfe der sog. Replikatorgleichung. Die Ergebnisse der einzelnen Spiele, die im Zeitverlauf realisiert werden, stellen einen evolutorischen Prozess dar, der entweder auf ein Ungleichgewicht oder am Ende des Prozesses, möglicherweise, auf ein Gleichgewicht führt.
Formale Beschreibung
Ein evolutorisches Spiel benötigt ein symmetrisches, endliches 2-Personenspiel in Normalform G=(M,S,u) als Basisspiel. Dieses Basispiel dient als Grundlage auf der verschiedene Populationen gegeneinander antreten können. Es ist also M={1,2}, S1=S2=:S0, S=S0xS0, u1(s1,s2)=u2(s2,s1)
Der Spielablauf ist nun wie folgt:
Es werden zufällig zwei Spieler aus einer (beliebig großen) Menge von Spielern ausgewählt, die, wie oben schon erwähnt, nicht rational handeln, sondern einfach einer festen Strategie s &isin S0 folgen. Es vertreten gewissermaßen die Spieler die Strategie, die sie spielen. Das Ergebnis dieses Zusammentreffens wird nun wie üblich aus der Auszahlungsmatrix, die von der Auszahlungsfunktion u definiert wird, abgelesen.
Eine gemischte Strategie lässt sich nun sehr anschaulich verstehen: Sie entspricht einfach einer Population, deren verschiedene Spielertypen genauso gewichtet sind, wie die reinen Strategien in der (formalen) gemischten Strategie.
Die Auszahlung bezüglich zweier gemischter Strategien lässt sich dann schreiben als:
u1(p,q) = pTAq, u2 (p,q) = pTATq
Evolutionär stabile Strategie: ESS
Def.:
Eine Strategie p nennt man nun evolutionär stabil, wenn für alle Strategien gilt:
Dies ist äquivalent zu folgender (eingängigeren) Definition:
Eine Strategie heißt evolutionär stabil, wenn es für jedes
ein
gibt, so dass für jedes
gilt:
,
wobei und
.
Übergang zur Replikatordynamik
Betrachte nun den Grenzübergang von diskreten Populationsentwicklungen zu kontinuierlichen Dynamiken.
Dazu führen wir zuerst ein wenig neue Nomenklatur ein:
- Die jeweiligen Anteile des Typs k an der Population zur Zeit t werden mit xk(t) bezeichnet. Es gilt:
,
-
.
Ein neuer Begriff ist die "Fitness", bzw. "relative Fitness". Sie gibt im wesentlichen an, wie gut eine Strategie in ihrem Umfeld der anderen Strategien zurechtkommt, gemessen an der Auszahlung, die sie erreicht, und normiert auf die Fitness der gesamten Population.
Formal bedeutet das: Die relative Fitness der Strategie μ ist definitionsgemäß
Daraus kann man auf heuristische Art die Differenzengleichung herleiten:
Im Grenzübergang erhält man:
Diese Differentialgleichung führt zur gewünschten Replikatorgleichung (mit denselben Trajektorien wie die vorangehende Differentialgleichung):
.
Damit haben wir die evolutorische Spieltheorie jeweils für jedes Basisspiel auf eine gewöhnliche Differentialgleichung zurückgeführt.
Sätze und Folgerungen
Einige direkte Folgerungen sollen hier angegeben werden:
Satz:
Sei eine Lösung der Replikatorgleichung, so gilt:
-
,
-
,
-
.
Folgerung:
Zu jedem a ∈ Δ existiert eine maximal fortgesetzte Lösung xa: R ->Δ mit x'a(t)=F(xa(t)) & xa(0)=a.
Fundamentalsatz der natürlichen Selektion
siehe Fundamentalsatz der natürlichen Selektion
Weiterführende Klassifizierungen von Strategien
Die erste Klassifikation eines solchen Dynamisches Systems ist die Auszeichnung der dynamischen Gleichgewichte. Weiterführend ist die Stabilität zu nennen, und widerrum als Spezialfall dieser, die asymptotische Stabilität.
Wichtige Begriffe zur Beschreibung der evolutorischen Spiele
Akteur: Die evolutorische Spieltheorie setzt bei den beteiligten Spielern, auch Akteure genannt, nicht voraus, dass sie denken können, wodurch sich ein breites Anwendungsspektrum ergibt. Der Akteur wird hier einer Strategie gleichgesetzt.
Mutant: Ein Mutant ist ein Akteur mit einer bestimmten Strategie, der in eine Population etablierter Spieler mit anderen Strategien eintritt, bzw. ein etablierter Spieler, dessen Strategiewahl sich ändert.
Population: Unter einer Population versteht man einen Strategieraum zu einem bestimmten Zeitpunkt des evolutorischen Spiels, der im allgemeinen nicht abgeschlossen ist, sondern durch Mutation, Invention oder Innovation mit neuen Strategien erweitert werden kann.
i) monomorphe Population: In einer monomorphen Population sind alle Spieler identisch, sie verfolgen also gleiche Strategien und erhalten gleiche Auszahlungen bei gleicher Strategiekombination. Treffen zwei Akteure einer monomorphen Population aufeinander, so ist es ein symmetrisches Spiel.
ii) polymorphe Population: In einer Population treffen unterschiedliche Strategien aufeinander.
Fitness :Die Auszahlung eines Spielers wird häufig auch mit dem Begriff Fitness bezeichnet. Man unterscheidet zwischen der individuellen Fitness und der totalen Fitness der Population.
Links
Nash-Gleichgewicht:Berechnung bei symmetrischen Spielen
Gemischte Strategie
Existenz eines symmetrischen Nash-Gleichgewichtes in symmetrischen 2- Personenspielen: Zwei Beweise
Replikatorgleichung
Hyperzyklusgleichung
Hawk&Dove
Dynamisches System
Stabilität
evolutionär stabile Strategie
Asymmetrische Spiele in der evolutorischen Spieltheorie
Zusammenhang: Dynamisches-, Nash-, (asymptotisch) stabiles Gleichgewicht und ESS
ESS im symmetrischen Spiel mit je zwei Strategien